Mit dem Erhalt des Bilder-Kodex kamen für das Projekt Nievelheim überraschend neue Aufgaben hinzu, denn Neidhard von Steinach hatte sich kurzerhand entschlossen, den Initiatoren des Projekts die verschmuddelten Pergamente zur Restauration und anschließenden Veröffentlichung als Dauerleihgabe zu überlassen. Für dieses Vertrauen zeigten sich die Herausgeber dankbar, indem sie die Restauration selbst durchführten und finanzierten, so daß die Bilder nun in neuem Glanz erstrahlen dürfen.
Die Bezeichnung Nibelung-Kodex geht zurück auf einen
Wormser Domschatzmeister namens Nibelung, der das
Dominnere
mit lehrreichen Bilderteppichen versah.
Mitte des 12. Jahrhunderts ließ er eine ganz besondere Serie dieser Web- und Knüpfprodukte anfertigen:
Den großen 'umbehanc', der die Geschichte vom Fluch feudaler Großmachtphantasien in Europa erzählt.
Der Nibelung-Kodex läßt den Familiennamen seines Stifters zum zeitlosen und frei anwendbaren Begriff
für alle europäischen Herrscher werden, die in der Untergangs-Tradition der westfränkischen,
burgundischen Nibelungen des Frühmittelalters herrschten.
Der Nibelung-Kodex provozierte die in dieser Tradition herrschenden
Staufer-Kaiser.
Barbarossa selbst störte das wenig, aber sein Sohn Heinrich VI.
fühlte sich irgendwann auf's Kettenhemd getreten und ließ die Teppiche aus dem Dom entfernen.
Damit war Nibelung mit der gut gemeinten Idee, seinen Kaiser mit pädagogischen Teppichen vor den
fatalen Folgen unmäßiger Machtpolitik zu warnen, gründlich mißverstanden worden.
Was Kaiser Heinrich VI. nicht wußte: Die Teppichmotive waren vor ihrer Entsorgung noch von zwei eilig aktiv gewordenen Mitarbeitern eines Skriptoriums heimlich kopiert worden - auf Pergament. Sie waren eifrige Bewunderer des Nibelung und wollten seine brisante 'Lehre' in den adeligen Sängerkreisen verbreiten. Weil das für sie gefährlich war, vermischten sie die Geschichte von den Nibelungen mit den nordischen Sagen der Germanen ebenso wie mit zeitgenössischen Anekdoten. Nibelungs Botschaft versteckten die Autoren in den 'alten maeren', die damals ein jeder kannte.
Das Skript mit den Ideen zur Tarnung der Botschaft und die kopierten Bilder übergaben die Skriptoren dem Auftragsdichter
Bligger II. von Steinach, zusammen mit einem großzügigen Honorar, unter der Bedingung,
das Nibelungenlied drei Jahre lang in den adeligen Kreisen vorzutragen.
Bligger, der am Hofe des Kaisers diente, nahm den kuriosen Auftrag an.
Tragischerweise wertschätzte sein höfisches Publikum die feinsinnig erdachte Handlung
des Nibelungenliedes nicht.
Für den musischen Edelmann
frustrierend
- bald schon war er bei seinen Darbietungen Spott
und Anfeindungen seiner Zuhörer ausgesetzt.
Während das Skript nach dem Tode Bliggers II. verschwand, blieben die Bilder offenbar
bis in unser Jahrtausend bei denen von Steinach. Glücklicherweise wurde mit ihnen ihre
Geschichte tradiert.
So hat das Nibelungenlied wie seine Abschriften bis heute die Zeit überstanden.
Die Bilder wurden sorgsam verschnürt in einer Ledermappe übergeben, eingewickelt in ein konservierendes Lagensystem von Tüchern, Lederdeckchen und Pergamenteinlagen. Im Laufe der folgenden Jahre wurden mit den ältesten und am wenigsten aufwendigen Restaurationstechniken der Nibelung-Kodex restauriert.
Das Konzept ist einfach und orientiert sich an der
Erstausstellung.
Ein Rundgang führt chronologisch durch die Schlüsselszenen der Nibelungensage respektive des Nibelung-Kodex.
Zu sehen sind auf insgesamt 35 Blättern die gemalten, originalen Kopien
des als 'codex nibelungi' bezeichneten Bilderzyklus, der um das Jahr 1200 entstanden ist.
Neben zwei Autorenportraits zeigen uns 32 Blätter die wichtigen Stationen und Elemente
der Nibelungengeschichte.
Ein besonderes Schmankerl ist das Bildnis des Küchenmeisters Rumold – es enthält die
Anspielung auf ein kulinarisches Geheimrezept der Burgunder, um das man nur noch in ausgewählten
Meisterkochlogen findet.
Eine Fülle von Details, Symbolik und metaphysischer Allegorik findet der Betrachter in
den Bildern, welche in bemerkenswert eigenartiger Manier und in der Technik der Deckmalerei
unter der Verwendung von Gold angefertigt wurden. Dank der aufwendigen Restaurierung können
die etwas verschmuddelten Werke aus jahrhundertelangem Privatbesitz nun in neuem Glanz erstrahlen.
nievelheim